Testamentsauslegung von Vor- & Nacherbschaft
OLG München, Beschluss vom 24. April 2017, Az. 31 Wx 463/16
Auslegung einer notariell angeordneten Vor- und Nacherbfolge unter der Verwendung der Begrifflichkeiten „Abkömmlinge nach Stämmen zu gleichen Anteilen. Dies sind derzeit…“
Das OLG München hatte sich mit der Auslegung eines notariellen Testaments zu befassen, in welchem die Erblasserin u.a. Vor- und Nacherbfolge sowie Ersatznacherbfolge angeordnet hatte. Sie regelte hierzu folgendes:
„Zu meiner alleinigen Erbin bestimme ich meine Nichte S. F., derzeit wohnhaft (…).
Frau S. F. soll jedoch nur Vorerbin sein. Zu Nacherben bestimme ich ihre Abkömmlinge nach Stämmen zu gleichen Anteilen. Dies sind derzeit:
(Abkömmling 1,
Abkömmling 2,
Abkömmling3)
Die Nacherbschaft tritt ein mit dem Tode des Vorerben. Der Vorerbe ist nicht von den gesetzlichen Beschränkungen und Verpflichtungen befreit.
Zu Ersatznacherben bestimme ich die weiteren Abkömmlinge von Frau S. F. nach Stämmen zu gleichen Anteilen.“
Des Weiteren bestimmte die Erblasserin eine Ersatznacherbin, für die sie ebenfalls eine ersatzweise Regelung traf. Ferner regelte sie:
„Falls Abkömmlinge von S. F. nicht erst Nacherben, sondern sogleich Erben von mir werden, so sind auch sie nur Vorerben und deren Nacherben sind die oben weitere bestimmten Ersatznacherben.“
Die Nichte S. F. beantragte bei dem Nachlassgericht einen Erbschein, welcher ihr erteilt wurde und sie unter Anordnung der Nacherbfolge als Alleinerbin ausweist. Zudem ist im Erbschein vermerkt:
„Die Nacherben sind die Abkömmlinge der Vorerbin nach Stämmen zu gleichen Anteilen, derzeit:
(Abkömmling 1,
Abkömmling 2,
Abkömmling3)
Ersatznacherbfolge ist angeordnet. Ersatznacherben sind die weiteren Abkömmlinge der Vorerbin nach Stämmen zu gleichen Anteilen…“.
Die als Vorerbin bestimmte Nichte S. F. beantragte die Berichtigung des Erbscheins dahingehend, dass das Wort „derzeit“ gestrichen wird. Sie vertrat die Auffassung, dass es sich hierbei um ein völlig überflüssiges, inhaltlich sinnloses und verwirrendes Füllwort handele und gestrichen werden müsse. Mit Beschluss vom 4. November 2016 hat das zuständige Nachlassgericht die Einziehung des Erbscheins abgelehnt mit der Begründung, dass der Erbschein die Erbfolge nach der Erblasserin zutreffend wiedergebe. Das Nachlassgericht hat darauf abgestellt, dass in einem dem Vorerben zu erteilenden Erbschein gemäß § 2363 Abs. 1 S. 1 BGB (a. F.) neben der Anordnung einer Nacherbfolge auch anzugeben ist, unter welchen Voraussetzungen die Nacherbfolge eintritt und wer Nacherbe ist. In dem Vorerben zu erteilenden Erbschein seien daher die Person bzw. die Personen des bzw. der Nacherben so genau wie möglich anzugeben.
Das Oberlandesgericht München hat diese Auffassung mit seinem Beschluss vom 24. April 2017 bestätigt und festgestellt, dass die Formulierung in dem erteilten Erbschein betreffend die Nacherben unter der Formulierung „derzeit“ richtig ist. Soweit die als Vorerbin eingesetzte Nichte die Auffassung vertritt, aus der notariellen Regelung ergebe sich, dass die weiteren Abkömmlinge, die durch Geburt oder Adoption hinzutreten, nicht Nacherben, sondern Ersatznacherben seien, hat das OLG München diese Rechtsauffassung verneint. Es hat festgestellt, dass die Erblasserin in dem vor einem Notar errichteten Testament selbst und ausdrücklich die Formulierung „derzeit“ gewählt hat. Die von ihr getroffene Regelung zur Nacherbfolge ist dadurch geprägt, dass die Erblasserin die im Zeitpunkt der Testamentserrichtung bereits geborenen Abkömmlinge ihrer Nichte (der Vorerbin) gerade nicht unmittelbar als bedachte Nacherben eingesetzt hat. Vielmehr hat die Erblasserin eine allgemeine Formulierung in der Form „ihre Abkömmlinge nach Stämmen zu gleichen Anteilen“ gewählt. Das OLG München zieht hieraus den Schluss, dass der Wille der Erblasserin vorrangig darauf gerichtet war, dass auch alle zukünftig als Abkömmlinge der Vorerbin in Frage kommenden Personen als Nacherben in den gleichmäßigen Genuss des Nachlasses der Erblasserin kommen sollen.
Dementsprechend hat das OLG München auch die Auffassung des Nachlassgerichts bestätigt, dass der von der Erblasserin in ihrem notariell errichteten Testament verwendete Begriff „Abkömmlinge“ nach § 1754 BGB auch adoptierte Abkömmlinge umfasst und daher der Kreis der in Betracht kommenden Nacherben erst im Zeitpunkt des Nacherbfalls feststellbar ist.
Häufige Fragen (FAQ)
Der Vorerbe wird auch auch echter Erbe genannt, d.h. er tritt gemäß § 1922 BGB in alle Rechte und Pflichten des Erblassers ein. Dies gilt bis zum Eintritt der Nacherbfolge.
Mit dem Eintritt der Nacherbfolge hört der Vorerbe auf, Erbe zu sein, und die Erbschaft fällt dem Nacherben an (§ 2139 BGB).
Das OLG München hatte sich mit der Auslegung eines notariellen Testaments zu befassen, in welchem die Erblasserin u.a. Vor- und Nacherbfolge sowie Ersatznacherbfolge angeordnet hatte.