Aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofes zum Behindertentestament: Rechte von Behinderten bestätigt
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Mit Beschluss vom 10. Mai 2017 hat der Bundesgerichtshof (Az. XII ZB 614/16) entschieden, dass im Zusammenhang mit einem Behindertentestament die Mittellosigkeit des bedachten behinderten Kindes nicht entfällt, selbst wenn der Testamtsvollstrecker im Rahmen der angeordneten Dauertestamentsvollstreckung den Nachlassgegenstand entgegen den Anordnungen des Erblassers zu Gunsten des behinderten Abkömmlings freigibt. Der Entscheidung des Bundesgerichtshofs waren eine Entscheidung des Amtsgerichts Darmstadt sowie ein Beschluss des Landgerichts Darmstadt vom 7. Dezember 2016 vorausgegangen.
Sachverhalt
Die im vorliegenden Verfahren Betroffene steht aufgrund einer geistigen Behinderung unter Betreuung. Ihre Eltern hatten sich in einem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig zu Erben eingesetzt, wobei der länger Lebende befreiter Vorerbe sein sollte. Die insgesamt fünf gemeinsamen Kinder wurden zu gleichen Teilen zu Nacherben des Längstlebenden bestimmt. Die zwei behinderten Kinder der Eheleute wurden hinsichtlich ihres Erbanteils lediglich zu Vorerben bestimmt. Nacherben der beiden behinderten Kinder sollten jeweils die gesetzlichen Erben sein. Die Eltern ordneten ferner bezüglich der Erbanteile der beiden behinderten Kinder eine Dauertestamentsvollstreckung bis zu ihrem Tod an. Die Testamentsvollstreckung hatte zum Inhalt, dass aus den Erträgen des Nachlassvermögens die Bedürfnisse auf Kleidung, Reisen, Taschengeld u. ä. erfüllt werden sollten. Darüber hinaus legten die Eltern in ihrem Testament fest, dass ihre behinderten Kinder keinen Anspruch auf Auszahlung ihres Anteils oder der Früchte aus dem Vermögen haben sollten.

Rechte von Behinderten bestätigt
Für eines der behinderten Kinder übernahm eine Schwester die Betreuung und später auch die Testamentsvollstreckung. Durch einen vom Amtsgericht bestellten Ergänzungsbetreuer wurde die Testamentsvollstreckerin in der Folge aufgefordert, für die behinderte Erbin deren Anteil am Erbe anzulegen. Die Testamentsvollstreckerin legte daraufhin einen Betrag in Höhe von € 29.100,00 auf einem auf den Namen der Behinderten lautenden Sparkonto an. Der Ergänzungsbetreuer teilte im Jahr 2015 mit, dass ein aktuelles Vermögen in Höhe von € 31.698,97 bestehe. Darunter würde sich die „Vorerbschaft“ in Höhe von € 29.100,00 befinden. Im Rahmen der Festsetzung der Vergütung und des Aufwendungsersatzes des Ergänzungsbetreuers hat das Amtsgericht Darmstadt eine solche aus der Staatskasse festgesetzt. Hiergegen erhob die Staatskasse Beschwerde, welche durch das Landgericht Darmstadt zurückgewiesen wurde. Die hiergegen durch die Staatskasse erhobene Rechtsbeschwerde wurde durch den Bundesgerichtshof als unbegründet zurückgewiesen.

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Im Ergebnis hat der Bundesgerichtshof die vom Landgericht Darmstadt vertretene Auffassung bestätigt, dass die behinderte Betroffene trotz des auf sie lautenden Kontoguthabens mittellos ist und ihr zu berücksichtigendes Vermögen das Schonvermögen in Höhe von € 2.600,00 nicht übersteigt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum sogenannten Behindertentestament sind Verfügungen von Todes wegen nicht sittenwidrig, wenn die Eltern eines behinderten Kindes die Nachlassverteilung durch eine kombinierte Anordnung von Vor- und Nacherbschaft sowie einer Dauertestamentsvollstreckung (mit konkreten Anweisungen zur Verwaltung) regeln. Diese Regelung hat zur Folge, dass das Kind zwar Vorteile aus dem Nachlassvermögen erhält, der Sozialhilfeträger jedoch auf dieses Vermögen nicht zugreifen kann. Solche Verfügungen von Todes wegen sind vielmehr Ausdruck der sittlich anzuerkennenden Sorge für das Wohl des Kindes über den Tod der Eltern hinaus.
Rechtliche Begründung
Soweit eine angeordnete Testamentsvollstreckung die Verfügungsbefugnis des behinderten Abkömmlings im Sinne des § 2211 BGB einschränkt, können sich die Gläubiger des Erben, sofern sie nicht zu den Nachlassgläubigern gehören, gemäß § 2214 BGB nicht an die Nachlassgegenstände halten, die der Verwaltung des Testamentsvollstreckers unterliegen. Der Erbe hat einen Anspruch darauf, dass der Testamentsvollstrecker die Verwaltungsanordnungen, die vom Erblasser bestimmt worden sind, im Sinne des § 2216 Abs. 2 BGB umsetzt. Für die hier erforderliche Feststellung des Erblasserwillens gelten die allgemeinen Auslegungsregeln. Der Bundesgerichthof vertritt die Auffassung, dass die behinderte Betroffene mittellos ist, obwohl die Testamentsvollstreckerin für sie auf ihren Namen den Erbanteil in Höhe von € 29.100,00 auf ein Sparkonto angelegt hat. Dieses ist jedoch nicht für die Betreuervergütung einzusetzen. Die Testamentsvollstreckerin, die ohne Rechtsgrund einen vermeintlichen Freigabeanspruch erfüllt, hat Anspruch auf Wertersatz nach Bereicherungsgrundsätzen. Eine Freigabe des Vermögens nach § 2217 BGB würde den eindeutigen Anordnungen der Erblasser aus seiner Verfügung von Todes wegen widersprechen. Die Eltern hatten in ihrer als Behindertentestament ausgestalteten letztwilligen Verfügung erklärt, dass die behinderte Tochter keinen Anspruch auf Auszahlung ihres Anteils oder der Früchte aus dem Vermögen haben solle. Auch die Erträgnisse aus dem Vermögen können nicht für eine Betreuervergütung herangezogen werden. Durch die Verfügung der Erblasser können die Erträgnisse des Vermögens nur für Bedürfnisse auf Kleidung, Taschengeld etc. verwendet werden.
Fazit
Die richtige Entscheidung des Bundesgerichtshofs stärkt die Rechte von behinderten Menschen im Erbfall: Der Erbanteil sowie die hieraus folgenden Erträgnisse sind aufgrund der eindeutigen Verfügungen und Anweisungen der Erblasser im Behindertentestament durch Vor- und Nacherbschaft sowie Anordnung der Dauertestamentsvollstreckung mit expliziten Verwaltungsanweisungen nicht verwertbar. Sie sind daher vor dem Zugriff geschützt. Unter diesem Link können Sie die vollständige Entscheidung des Bundesgerichtshofs nachlesen.
Häufige Fragen (FAQ)


Bei eine Behindertentestament handelt es sich um eine besondere Form eines Testaments. Es findet Anwendung, wenn mindestens ein Erbe eine starke Behinderung hat. Angehörige mit Behinderung können dadurch nach dem Ableben ihrer Eltern über dem Sozialhilfeniveau versorgt werden.


Die Grundvoraussetzung eines Behindertentestaments ist es, dass der zu erbende, zum Beispiel das Kind, eine derart starke körperliche oder geistige Behinderung hat, dass es seinen Lebensunterhalt unmöglich selbst verdienen kann und gegebenenfalls auf Pflegeleistungen angewiesen ist.


Eine Erstberatung durch einen Anwalt kostet zuzüglich MwSt. 226,10 €. Der Einsatz von Experten sollte besonders bei der Gestaltung eines Behindertentestaments zu Rat gezogen werden.


Behinderte Menschen können beim Erben die gleichen Gegenstände erben, wie Menschen ohne Behinderung. Allerding wird für den behinderten Angehörigen ein Betreuer benötigt, der das Vermögen für ihn verwaltet.